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09.08.2022
Tennis

Zwischen Studium, Praktika und Tennisplatz

Schon seit über 14 Jahren ist Sebastian Mortier Adlerträger, ein echtes Eintracht-Urgewächs. Seit 2015 spielt er für die erste Herrenmannschaft und startet bei den Eintracht Frankfurt Open im Einzel und Doppel.

Doch wer ist Sebastian eigentlich, lest selbst!

Bei der Eintracht kennt man ihn, den 1,90-Meter groß gewachsenen Blondschopf. Nicht weil er ein Lautsprecher ist, sondern vielmehr ein bodenständiger, sympathischer Kerl, stets freundlich und in der Regel mit einem Lächeln auf dem Lippen. Ein offenes Ohr hier, ein Wortwechsel mit Zuschauern und Teamkollegen dort, aber auch auf der Bank fällt der 25-jährige durch Teamgeist auf. Und weil er eben auch gut Tennis spielen kann!

Sebastian stammt aus einer Tennis- bzw. vielmehr allgemein Sport-verrückten Familie – Mutter Angelique hat jahrelang selbst Mannschaft auf Regionalliganiveau gespielt, bis sie aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste, Vater Johannes ist bis heute in der Herren 50er-Mannschaft der Eintracht aktiv. Natürlich sind sie meist dabei, wenn Sebastian spielt, und fiebern mit ihrem Sohn mit. Sie sind aber ebenfalls stets unaufgeregt und genießen vielmehr den Support und den Austausch innerhalb der Eintracht-Familie.

Das ist es auch, was Sebastian sehr an der Eintracht schätzt. „Wir haben eine großartige Unterstützung im Verein durch die Zuschauer bei unseren Spielen. Es ist wie eine große Familie, jeder unterstützt jeden. Auch innerhalb der Mannschaft verstehen wir uns sehr gut und haben einen tollen Zusammenhalt. Es macht einfach viel Spaß mit dem Team und für diesen Verein zu spielen.“

Geboren ist Sebastian in Massachusetts (USA), doch schon bald zog seine Familie mit ihm nach Deutschland – und dort direkt nach Maintal-Bischofsheim. Dort sollte seine Tenniskarriere den Anfang nehmen, als seine Mutter ihn im Tennisverein Bischofsheimer TV anmeldete. „Tennisspielen konnte man das aber noch nicht nennen. Ich war noch sehr, sehr klein“, lacht Sebastian. „Das waren eher Spielchen wie den Tennisball in den Eimer werfen.“ Im Alter von acht Jahren begann er dann in der U11-Junioren-Mannschaft des Bischofsheimer TV – wohl zum Leidwesen seiner Gegner. Denn schon die ersten Ergebnisse sind deutlich: Lediglich vier Spiele in zwei Partien gab er ab. Darauf angesprochen lacht der 25-Jährige: „Daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern.“

Auch seine ersten Ergebnisse nach seinem Wechsel zur Eintracht im Jahr 2008 weiß er nicht mehr.  Sebastian spielte als damals 10- bzw. später 11-Jähriger gleich in drei Teams: U11, U14 und U18 – mannschaftsübergreifend stehen in der Premierensaison acht, zum Teil sehr deutliche Siege, nur eine Niederlage im Einzel gegenüber. Er wirkt erstaunt und lächelt: „Wenn das die Einträge in mybigpoint so sagen, dann wird es wohl stimmen.“ Es ist bezeichnend für ihn, dass er sich damit nicht beschäftigt, das überlässt er lieber anderen. „Sonst würde ich mir wohl auch mehr Gedanken über die Gegner machen – zumal die LKs auch nicht immer so aussagekräftig sind. Man muss einfach schauen, was auf dem Platz passiert.“

Vielmehr hat sich Sebastian mit dem Sport selbst beschäftigt – nach der Schule, inzwischen wie auch sein Zuhause in Hanau, ging es täglich mit Taxi Mama zur Tennisanlage an den Riederwald. Mal zum Tennis-, mal zum Konditionstraining. Die Hausaufgaben wurden in der Regel erst im Anschluss oder morgens zeitig vor Schulbeginn gemacht. Als stressig habe er den Spagat Schule und Sport nicht empfunden. „Ich war damals zugegebenermaßen nie der Fleißigste gewesen, trotzdem ging es irgendwie immer. Wenn ich mich jetzt zurückerinnere, hab ich mir nie so einen Stress gemacht“, grinst der Adlerträger. Und dabei ging Sebastian nach der 10. Klasse noch für ein Jahr nach Florida auf die Chris-Evert-Tennis Akademie, und hat nach seiner Rückkehr die Schule direkt in der 12. Klasse fortgesetzt.

Das College in Florida war auf Tennis spezialisiert. Entsprechend stand schon morgens Tennis- und Fitnesstraining auf dem Programm, anschließend Online-Schule, zwischendurch Mittagspause und abends meistens Matches. „Das war schon eine sehr prägende Zeit. Tennismäßig hat mich das Jahr schon extrem weitergebracht. Schließlich waren sehr gute Spieler dort, mit denen ich auch mal spielen durfte oder zugeschaut habe.“

Zurück in Deutschland packte Sebastian zunächst sein Abitur an der Hanauer Karl-Rehbein-Schule in die Tasche, ehe es 2015 erneut nach Amerika, dieses Mal nach San Antonio (Texas), ging. „Ich hatte schon damals den Wunsch, etwas mit Medizin machen zu wollen. Der Studiengang der Biologie war mit den Fächern am nächsten dran“, erklärt der 25-Jährige. Mit Stipendium studierte er also nun vier Jahre Biologie, spielte und trainierte Tennis, und machte seinen Bachelor of Science. Eine Zeit, die er absolut nicht missen möchte und die ihn auch persönlich weitergebracht habe. „Ich bin disziplinierter, offener geworden und habe mich selbst auch besser kennengelernt – was will ich, wer bin ich etc.“

Ich wollte die berufliche Ausbildung fertig haben

Sebastian Mortier

2019 kehrte Sebastian dann nach Deutschland zurück und wollte zunächst Medizin studieren, aber acht Wartesemester schreckten ihn dann doch davor ab. Mit dem Studium der Osteopathie an der Hochschule Fresenius in Idstein fand der 25-Jährige die perfekte Lösung. Sechs Semester hat der Adlerträger inzwischen hinter sich, aktuell steht sein Praxissemester an, das er derzeit im St. Vinzenz-Krankenhaus in Hanau absolviert. Weitere Praktika stehen bis Januar noch bevor. Doch wie schafft man es, zu studieren, arbeiten und nebenbei auf dem Leistungsniveau Tennis zu spielen – schließlich ist er fester Bestanteil der Regionalligamannschaft der Eintracht? „Natürlich ist es schon anstrengend. Gerade wenn ich wie vor dem letzten Medenspielwochenende noch zwei Klausuren unter der Woche habe. Aber andererseits ist es auch eine Genugtuung, dass es doch klappt“, erzählt er. „Das Einzige, was während dem Studium für das Training wirklich etwas blöd ist, dass wir jede Woche einen anderen Stundenplan bekommen, aber irgendwie hat es doch immer mit dem Training hingehauen.“ Dabei stehen nach wie vor täglich Tennis-, Kraft- oder Konditionstraining auf dem Programm. Er brauche aber auch den Sport als Ausgleich.

Dass Sebastian kein typischer Regionalligaspieler ist, wird schnell klar. Während viele sich voll und ganz auf den Tennissport konzentrieren, für Turniere um die Welt reisen und auf eine mögliche Profikarriere hoffen, hat der Eintrachtler mit 25 Jahren sein Abitur, bereits einen Bachelor of Science und in voraussichtlich einem Jahr einen weiteren Studiumabschluss in der Tasche – und spielt „nebenbei“ auf hohem Niveau erfolgreich Tennis. Hatte er denn nie den Traum, Tennisprofi zu werden? „Doch, natürlich, gerade als ich noch jünger war. Auch heute denke ich manchmal nach, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich mich voll und ganz auf Tennis konzentriert hätte. Andererseits wollte ich aber erstmal meine berufliche Ausbildung abgeschlossen haben. Dafür hab ich mich entschieden“, erklärt Sebastian. „Wenn ich mein Studium der Ostheopathie in einem Jahr fertig habe, kann ich mir immer noch überlegen, ob ich mich mal ein Jahr nur auf Tennis fokussiere.“

In diesen Tagen aber liegt sein Fokus auf Tennis, schließlich darf er sich bei den Eintracht Frankfurt Open mit der internationalen Elite messen – sowohl im Einzel als auch im Doppel. Körperlich fühlt er sich in einer guten Verfassung, von daher lautet sein Ziel: „Ich würde gerne die Qualirunden überstehen – und dann schauen wir weiter.“ Im Einzel hat es gegen den starken Schweizer Maurus Malgiaritta trotz gutem Spiel leider nicht ganz gereicht, aber im Doppel zusammen mit Nachwuchstalent Mihailo Milenkovic hat er die nächste Chance. Der großen Unterstützung der Eintracht-Familie kann er sich wieder sicher sein. Aber egal wie auch immer das Doppel ausgehen wird, erreicht hat Sebastian ohnehin schon deutlich mehr als die meisten in seinem Alter und kann stolz darauf sein. Wir drücken dem sympathischen Blondschopf für das nächste Spiel die Daumen!